Zwei besondere Projekte für besseres Lernen 

Die Warthauser Grundschule hat eine neue Schulsozialarbeiterin. Gemeinsam mit dem Schulleiter stellt sie zwei besondere Projekte vor, die Kinder fürs Lernen und fürs Leben stärken.
„An eine Grundschule zu gehen, war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte“, erzählt Agnes Gottfried. „Es macht unglaublich viel Spaß hier.“ 

Die gelernte Erzieherin und Rettungsassistentin hat soziale Arbeit in München studiert, wo sie im Anschluss Berufserfahrung als Schulsozialarbeiterin an weiterführenden Schulen sammelte. Mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern zog sie im vergangenen Jahr in den Landkreis Biberach. Sie war als Schulsozialarbeiterin an der Biberacher Malischule und am Wieland-Gymnasium im Einsatz. Im Juni wechselte sie an die Warthauser Grundschule. 

Hier arbeitet sie mit einzelnen Schülern, macht thematische Angebote für Klassen oder Gruppen und hält die Bürotür offen, für alle, die ein Anliegen haben oder einfach die Neue kennenlernen möchten. 

Darüber hinaus möchte Agnes Gottfried Projekte angehen, ein erstes hat sie bereits auf die Beine gestellt: Kinsporth – der Name setzt sich aus Kinesiologie, Sport und Orthopädie zusam‐ men – verbindet ein körperliches Training mit Kinesiologie, einer Bewegungslehre. Kinsporthübungen konzentrieren sich hauptsächlich auf das Ausbalancieren der drei Ebenen des Körpers vorne/hinten, oben/unten, links/rechts, so die Erläuterungen auf der Kinsporth-Homepage. 
Das Training soll dazu beitragen, die Gehirnhälften zu verknüpfen und die Konzentrationsfähigkeit zu fördern.
„Bei Kinsporth handelt es sich um einen ganzheitlichen Ansatz“, berichtet Patricia Lißner, Fachbereichsleiterin Schulsozialarbeit beim Verein Jugend Aktiv. Kinsporth wirke präventiv, stärke die Konzentration, das Gruppengefühl und die Resilienz.
„All das braucht man heute mehr denn je“, sagt sie. 
20 Warthauser Grundschüler erhalten nun ein halbes Jahr lang einmal pro Woche eine Kinsporthstunde. Geleitet wird diese von externen Fachleuten. Die Finanzierung erfolgt über den Förderverein der Schule, den Schulsozialarbeitsetat und einen kleinen Elternbeitrag.
Rektor Christoph Genal ist überzeugt: „Es ist gut angelegtes Geld.“ 
Auch Schüler, die nicht am Kinsporth teilnehmen, sollen profitieren. Agnes Gottfried lässt einzelne Übungen in ihre Arbeit mit einfließen. Das Ziel: Die Kinder sollen diese daheim anwenden. „Sie bekommen eine Idee, wie man mit Stress umgeht“, sagt Patricia Lißner. 

Übungen aus einem Projekt, das bereits an der Schule läuft, integriert Agnes Gottfried ebenfalls in ihre Arbeit mit den Schülern. Seit 2022 nimmt die Sophie-La-Roche-Schule am Projekt „abc – achtsam, bedacht, clever“ des Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen der Universität Ulm (ZNL) teil. Im Mittelpunkt steht dabei die Förderung der sogenannten exekutiven Funktionen und der Selbstregulation. 

Als exekutive Funktionen werden in der Neurowissenschaft die geistigen Vorgänge bezeich‐ net, mit deren Hilfe Menschen ihr Verhalten, ihre Aufmerksamkeit und ihre Gefühle steuern. Bedachtes, einfühlendes und vorausschauendes Handeln werde durch die exekutiven Funktionen erst möglich, erläutern die Ulmer Forscher auf ihrer Homepage. 
Zu den exekutiven Funktionen, die sich im Lauf der Kindheit und Jugend entwickeln, zählen Inhibition – dies bedeutet unter anderem Aufmerksamkeitssteuerung – Impulskontrolle, das Ar‐ beitsgedächtnis und kognitive Flexibilität.
„Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass exekutive Funktionen und Selbstregulation wichtig sind, um ein glückliches, gesundes und erfolgreiches Leben zu führen“, schreiben die ZNL-Forscher. 

Welche Bedeutung die exekutiven Funktionen für den Unterricht besitzen, erläutert Rektor Christoph Genal an Beispielen:
Impulskontrolle bedeute, dass man in der Lage sei zu warten, bis der Lehrer einen aufruft. Die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit zu lenken und Störreize auszublenden, führe dazu, dass man effektiver lernt. Kognitive Flexibilität ermögliche es, sich auf Neues einzulassen, zum Beispiel auf die Vertretungskraft, die eine Stunde übernimmt. 
Die exekutiven Funktionen bildeten die Basis für sozialemotionale Kompetenzen, betont der Rektor. Die Kinder profitierten vom abc-Projekt deshalb nicht nur fürs Lernen in der Schule, sie profitierten fürs Leben. 

Die Lehrkräfte erhalten vom ZNL Schulungen, an denen auch Agnes Gottfried teilnimmt. Auch sie bezieht abc-Übungen ein, wenn sie in die Klassen geht. Zum Beispiel das Entenspiel. Wenn das Sprüchlein reihum aufgesagt wird und sich jedes Mal die Zahl der Enten und der Entenbeine erhöht, sind Merkfähigkeit und gutes Zuhören gefragt.
„Die Kinder machen die Spiele gerne“, erzählt die Schulsozialarbeiterin. 

Nach dem Ende des von der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung finanzierten Projekts, soll das Thema exekutive Funktionen nicht wieder von der Bildfläche verschwinden.
„Wir werden im Kollegium besprechen, wie das Ganze künftig an der Schule verankert werden kann“, sagt Christoph Genal. 

Darüber hinaus will die Schule den Blick auf weitere Themen richten, die die Kinder stark machen. Agnes Gottfried plant ein Projekt zur Medienbildung. Da ein Teil der Schüler bereits in der dritten Klasse ein Handy oder eine Smartwatch besitze, sei es sinnvoll, den Umgang mit digitalen Medien bereits in der Grundschule auf die Tagesordnung zu nehmen, findet auch der Rektor. 

Text und Foto: Birgit van Laak/Schwäbische Zeitung

Die neue Schulsozialarbeiterin der Sophie-La-Roche-Schule Agnes Gottfried (Mitte), Rektor Christoph Genal und Patricia Lißner von Jugend Aktiv stellen Schulprojekte vor.